17.04.2014

Von strahlendem Sonnenschein und sanftem Meeresrauschen werden wir heute geweckt. Der Ausblick aus unserem Hotelzimmer erinnert an Werbeaufnahmen aus dem Reisebüro – einfach unglaublich.

Foto: Blick aus unserem Hotelzimmer auf die Bucht vor Karatsu

Wer von Euch schon den Blog vom letzten Jahr kennt, ahnt schon wo wir heute hin fahren: Es geht zu Familie Soejima, deren Teegarten ebenfalls in der Präfektur Saga liegt.
Am Bahnhof werden wir von Toshiyuki Soejima und unserer Assistentin Yoko schon erwartet. Yoko ist schon einen Tag vor uns zu Familie Soejima gefahren um die Familie besser kennenzulernen. Durch einen Zufall haben die beiden sich vor einiger Zeit in Tokyo getroffen, als Herr Soejima seinen Tee dort bei einem Event präsentierte. Nach einer halben Stunde Autofahrt erreichen wir das Haus der Soejimas. Aus der Verarbeitungshalle dringt Dampf und der Duft von frisch gedämpftem Tee. Am Morgen haben Yoko und Toshiyuki zusammen etwas Tee für die Testverarbeitung geerntet. Zwei Reihen Maki-no-hara werden nur für die Testproduktion angebaut. Diese Strauchvariante ist die früheste und der Tee, der heute entsteht, wird auch nicht verkauft. Er dient nur dazu die Verarbeitungsanlage nach der Winterpause wieder anlaufen zu lassen. Der fertige Tee wird nur von der Familie verwendet.
Der heute 65-jährige Toshiyuki hat vor gut 40 Jahren mit der Teeproduktion angefangen. Seine Eltern hatten damals noch einen gemischten Betrieb, der hauptsächlich Reis anbaute. Tee wurde nur nebenbei für den Eigenbedarf hergestellt. Toshiyuki fragt warum wir bei ihm noch einmal die Verarbeitung anschauen wollen, wo wir doch so viel Zeit bei der Teeproduktion bei den Morimotos verbracht haben. Schnell kommentiert er aber selbst, dass jeder Teegarten seinen ganz eigenen Verarbeitungsstil hat – und das selbst wenn man nur Vergleiche auf Kyushu zieht.

Foto: Toshiyuki Soejima und Dietmar Segl

Früher stellte die Familie nur Kamairicha her. Erst vor etwa 35 Jahren begann hier die Herstellung von gedämpften Tamaryokucha. Toshiyuki hat hierfür die Produktionsanlage vom ersten Schritt an aufgebaut. Auf die Frage hin, wie er es schafft jedes Jahr so gleichbleibend hohe Qualitäten zu produzieren entgegnet er überraschend. Seiner Meinung nach kann man sich nicht allein auf sein Gefühl verlassen. Er lässt eine Probe der Teeblätter vor der Produktion hinsichtlich des Feuchtegehalts analysieren um so die Einstellungen der Maschinen bei der Verarbeitung optimal vornehmen zu können.

Foto: Testproduktion bei Familie Soejima

Draußen im Teegarten erfahren wir, warum man es trotz Ernten mit einer Erntemaschine schaffen kann, nur die feinen neuen Triebe zu ernten. Beim Herunterschnitt im Januar oder Februar notiert Herr Soejima in einem Heft auf den Millimeter genau auf welche Höhe er die Büsche herunter geschnitten hat. Für die Shincha-Ernte stellt er die Erntemaschine dann extra 1cm höher ein, um ganz sicher zu gehen, keine alten Blätter mit zu ernten. Die Schnitthöhe kann man bei seiner Maschine mm-genau einstellen. Zuvor hat uns niemand genau erklärt woher die Information über die Schnitthöhe kommt, aber wenn ich noch einmal genau nachdenke, erinnere ich mich auch an ein solches Heft bei den Morimotos, nur haben sie uns nicht erklärt was dort notiert wird.

Foto: Toshiyuki Soejima auf der Erntemaschine

Nun wird uns auch klar, warum Herr Soejima um seine Gärten herum kleine Zäune gegen die Wildschweine aufgebaut hat. Wenn Wildschweine zwischen den Teebusch-Reihen wühlen, stimmt die Höhen-Einstellung an diesen Stellen nicht mehr und es wird unter Umständen zu viel abgeschnitten. Großen Wert legt Familie Soejima auf die organische Düngung und Toshiyuki vergleicht die Erde in der Teepflanzen wachsen mit der Nahrung, die wir Menschen aufnehmen. Genauso wie man Menschen mit der Zeit an der Haut, Haaren und Knochen ansieht wie sie sich ernähren, so sieht man auch den Pflanzen an ihren Blättern und Ästen an, auf welchem Boden sie wachsen und wie sie gedüngt wurden. Auf einer Parzelle ganz oben in den Bergen, auf etwa 500m Höhe wachsen die Sträucher für seinen Tamaryokucha Gyokusui (Gold), die inzwischen schon 38 Jahre alt sind. Für Pflanzen, die aus Stecklingen gezogen wurden, ist das ein beträchtliches Alter.

Foto: beschattete Teebüsche im Teegarten von Familie Soejima

Vor 10 Jahren begann Toshiyuki Soejima den Tee seiner Familie direkt zu verkaufen um dem immensen Preisdruck der Großhändler zu entgehen. Seine Familie war zu dem Zeitpunkt hoch verschuldet und durch die extrem niedrigen Preise, die über den Großhandel oder die Teebörse erzielt werden konnten, war nicht abzusehen, wann und ob die Schulden jemals zurückgezahlt werden können. Sein Tee war zwar immer sehr gefragt, und der Preis richtet sich auch nach der Qualität, aber auf einem ganz anderen Niveau. Die wirklich großen Margen haben dann doch nur die Weiterverarbeiter, Großhändler und Exporteure, die ihre Tees von verschiedenen Gärten einkaufen und dann nach ihrem Geschmack zusammenmischen. Toshiyuki erzählt uns, dass viele Teefarmer extrem hart arbeiten, in der Erntesaison bis in die Nacht hinein und trotzdem nicht genügend Geld zum Leben haben. Der Druck ist groß. Entweder muss man seinen Teegarten vergrößern, um ausreichend große Mengen produzieren zu können, die dann über den Großhandel oder die Börse laufen, oder eben auf den Direktverkauf wirklich hochwertiger Tees setzen. Was ihn bei der Entscheidung sehr bestärkt hat, ist, dass er miterlebt hat, wie sein Großvater im Alter von gerade einmal 53 Jahren gestorben ist – an Überarbeitung und schlechter Ernährung. Die Familie bereut den Schritt nicht, denn der Direktverkauf läuft sehr gut und während unserem Abendessen rufen alle paar Minuten Kunden an, die schon den neuen Tee vorbestellen – von 2013 ist gar nichts mehr da.
Wir fühlen uns geehrt, als Toshiyuki noch einmal betont, dass er die Zusammenarbeit mit MARIMO sehr schätzt, vermitteln wir doch genau das, was auch er in Japan seinen Kunden vermitteln möchte. Schließlich sind wir seit mehreren Jahren der einzige Großhändler, mit dem Herr Soejima bereit ist zu arbeiten. Selbstverständlich erhalten wir von Herrn Soejima andere Preise, als die, die er beim Direktverkauf an Privatkunden verlangt, doch setzen wir ihn nicht unter Druck, so wie es beim Verkauf an einen japanischen Großhändler oder an der Tee-Börse der Fall wäre. Dadurch, dass wir sowohl den Export aus Japan, als auch den Import nach Deutschland, und dort den Großhandel selbst machen, überspringen wie mehrere Schritte, und können so einerseits faire Preise an die Teegärten bezahlen, als auch unseren Kunden die Tees zu guten Preisen anbieten.

Foto: Abendessen bei Familie Soejima

Diesmal übernachten wir im japanischen Zimmer von Familie Soejima vor dem buddhistischen Altar, und sind sehr glücklich früh ins Bett gehen zu können. Die Zeitumstellung haben wir noch nicht ganz verkraftet und wachen nachts immer wieder auf, weshalb wir ganz schön geschafft sind.