Eine Diskussion über falsch verstandene Zusammenhänge?

Eine der häufigsten Fragen, die uns als Experten für grünen Tee gestellt werden, ist die Frage „welche Grüntee-Sorte hilft am besten gegen Krebs?“. Da wir selbst biologischen Grüntee importieren und im Großhandel verkaufen, dürfen wir aus juristischen Gründen keine Antwort auf diese Frage geben. Angenommen diese Hürde gäbe es nicht, könnten wir jedoch auch nur auf den aktuellen Stand der medizinischen Forschung verweisen, die noch weit davon entfernt ist, darauf eine ganz klare Aussage geben zu können.

Um uns trotz dieser Einschränkungen nicht einfach zurückzulehnen, haben wir uns überlegt wie wir dennoch dazu beizutragen können etwas Klarheit zu schaffen – soweit dies möglich ist. Unsere Idee ist daher, diejenigen Ansichten, die nach unserem Kenntnisstand ganz offensichtlich falsch sind, aufzugreifen, und zu diskutieren. Dort wo es möglich ist objektive Zusammenhänge zwischen Teesorten, Anbaumethoden und Inhaltsstoffen herauszustellen, möchten wir den Versuch unternehmen dies möglichst präzise darzustellen. Auch wenn es uns nicht möglich ist Aussagen über gesundheitliche Wirkungen von Grünem Tee zu treffen, hoffen wir dennoch auf diese Weise dazu beizutragen für etwas Aufklärung zu sorgen.

These 1: Gyokuro enthält besonders viele Catechine – oder: welcher Tee hat wirklich einen besonders hohen Catechingehalt?

Die Eigenschaften von Gyokuro hinsichtlich des Catachingehalts
Bei der Definition von „Gyokuro“ ist sicherlich eine der wichtigsten Kriterien, dass die Teebüsche vor der Ernte verhältnismäßig lange bechattet werden, in der Regel zwischen drei bis vier Wochen. Der Effekt des Beschattens ist dabei nicht, dass der Tee absolut gesehen süßer wird, sondern dass die Blätter weniger Katechine enthalten, also weniger bitter schmecken. Betrachten wir also allein die Auswirkungen der Beschattung, so enthält jedes Blatt nicht mehr oder weniger Süße als unbeschatteter Tee, jedoch weniger Katechine. Relativ betrachtet wird der Auszug aus den Blättern, den wir als Tee trinken, somit süßer. Gefällt uns die Süße eines Gyokuro, so ist es sicherlich nicht falsch ihn zu trinken, obgleich es andere Möglichkeiten gibt Tee mit hervorragend süßen Nuancen herzustellen, beispielsweise durch die Wahl der Strauchsorte. Geht es uns jedoch darum einen Tee zu trinken, der einen hohen Katechingehalt hat, so ist Gyokuro – sowie andere beschattete Tees (Kabuse-cha) – weniger empfehlenswert.

Der Einfluss der Sonneneintrahlung auf den Catechingehalt
Grundsätzlich gilt, dass Teesträucher, die mehr Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, mehr Katechine bilden, wobei auch die Art des Teestrauchs, also die Teestrauch-Varietät, eine Rolle spielt. Ob die geernteten Blätter eines Teestrauchs vor der Ernte mehr und weniger Sonneneinstrahlung ausgesetzt wurden, hängt natürlich von der geografischen Lage und vom Wetter vor der Ernte ab, sowie davon ob beschattet wurde oder nicht. Da sich die Intensität der Sonneneinstrahlung über das Jahr hinweg ändert, spielt auch der Erntezeitpunkt eine Rolle. Die Idee, dass eine Herbsternte mehr Catechine enthält als eine frühere Ernte, ist aber zu hinterfragen. Grund: Zwar waren die Teesträucher dann mehrere Monate einer relativ starken Sonneneinstrahlung ausgesetzt, aber der Catechingehalt ergibt sich nicht einfach aus der aufsummierten Zeit der Sonneneinstrahlung. Sobald die Sonnenstrahlung schwächer wird, kann auch der Catechingehalt in den Blättern wieder sinken, weshalb eher die These begründet zu sein scheint, dass die Ernte zum Zeitpunkt der stärksten Sonneneintrahlung einen hohen Catechingehalt zur Folge hat.

Der Einfluss der Teestrauch-Varietät auf den Catechingehalt
Andererseits gibt es Teestrauchsorten, die grundsätzlich mehr Catechine bilden, und andere Teestrauchsorten, die dazu tendieren weniger Catechine zu bilden. Während die Strauchvarietät Benifuuki für einen außergewöhnlich hohen Katechingehalt bekannt ist (bitte auch den folgenden Abschnitt zum Thema der Fermentaton beachten), sind Oku Midori und Sae Midori als Referenzen für sehr milde Strauchsorten zu nennen, also Strauchsorten mit niedrigerem Catechingehalt. Diese eignen sich daher für die Herstellung von süß schmeckenden Teesorten, ohne dass dafür zwangsläuft auf die Methode der Beschattung zurückgegriffen werden muss.

Der Einfluss der Fermentation auf den Catechingehalt
Während grüner Tee dadurch zu definieren ist, dass es sich um Tee handelt, bei dem kein Fermenationsprozess stattgefunden hat, so definiert sich schwarzer Tee dadurch, dass ein Fermentationsprozess stattgefunden hat. Oolong (Wulong) sowie weißer Tee hingegen wurde teilweise fermentiert. Damit Grüntee grün bleibt, also nicht fermentiert, müssen die frisch geernteten Blätter möglichst zeitnah nach der Ernte ausreichend stark erhitzt werden. „Ausreichend stark“ bedeutet dabei, so heiß, dass die Enzyme, die von Natur aus in den Blättern vorhanden sind, durch die Hitze deaktiviert werden. Werden die von Natur aus in den Blättern vorhandenen Enyme nicht durch ausreichend starke Hitze deaktiviert, beginnt automatisch ein Fermentationsprozess. Bei der Fermentation werden Catechine in Aromastoffe umgewandelt, was die spezifischen Duft- und Geschmacksnuancen von schwarzem Tee und Oolong ausmacht. Dies bedeutet aber implizit, dass die Catechine nicht im Tee erhalten bleiben. Nur im grünen Tee also bleibt der Catechingehalt tatsächlich erhalten.

These 2: Matcha (Pulvertee) enthält besonders viele Catechine

Beginnen wir auch hier zunächst mit der Definition von „Matcha„. Wie bei der Betrachtung der chinesischen Schriftzeichen, die in diesem Fall identisch mit den japanischen Schriftzeichen sind, auffällt, handelt es sich wörtlich um „Pulver-Tee“. Da es sich bei Matcha, der im chinesischen zwar gleich geschrieben wird, jedoch „Mo-cha“ ausgesprochen wird, um eine Teesorte handelt, die sich im Laufe ihrer Geschichte deutlich gewandelt hat, sollten wir zunächst differenzieren, über welche Art von Matcha es eigentlich geht.

A) Matcha als Pulvertee aus trocken erhitzten und unbeschatteten Teeblättern
Da es sich bei dieser Art von Matcha um die ursprünglichste Form von Matcha (bzw. Mo-cha) handelt, so wie sie in China vor mehreren Tausend Jahren getrunken wurde, bevor es üblich wurde ganze Blättern mit heißem Wasser zu übergießen, müssen wir uns im Klaren sein, dass diese Form von Matcha heutzutage kaum noch anzutreffen ist. Einerseits führt die trockene Erhitzung, wie wir sie von chinesischem Grüntee kennen, einerseits dazu, dass einige Stoffe in den Blättern nicht erhalten bleiben, andererseits führt das Nicht-Beschatten tendenziell zu einem höheren Catechingehalt, im Vergleich zu beschatteten Tees. Die Pulverform bringt unabhängig von den anderen Charakteristika dieser Form des Matcha einen wesentlichen Vorteil mit sich: Stoffe, die nur fettlöslich sind (beispielsweise Vitamin E), können mit Hilfe von Wasser – egal ob heiß oder kalt – nicht aus den Blättern herausgelöst werden, und somit auch nicht mitgetrunken werden, wenn es sich um ungemahlenen Tee handelt. Andere Stoffe können aus den Blättern mit Wasser nur teilweise herausgelöst, und somit nur teilweise mitgetrunken werden. Beim Pulvertee jedoch ist es nicht notwendig die Stoffe mit Hilfe von Wasser aus den Blättern herauszulösen, da die zermahlenen Blätter in Form der Pulvers komplett mitgetrunken werden. Um die im Tee enthaltenen Catechine möglichst komplett mitzutrinken empfiehlt sich daher Tee, der zu Pulver gemahlen wurde, oder alternativ ein sehr heißer Aufguss. Wenn es sich um gemahlenen Tee handelt (Pulvertee), ist es also nicht notwendig diesen mit heißem Wasser aufzugießen.

B) Matcha als Pulvertee aus gedämpften und unbeschatteten Teeblättern
Zwar war in China die Form der Teeherstellung in Form der Dämpfung der Teeblätter während der Zeit der Song-Dynastie (960-1279) weit verbreitet, wurde jedoch aufgrund politischer Überlegungen, die den Dämpfungsprozess als zu zeitaufwändig betrachteten, schlagartig beendet. Als die Teekultur nach Japan kam, handelte es sich dabei beim Matcha demnach noch um ungedämpften Tee, sozusagen „Matcha aus Kama-iri-cha„. Erst im 20. Jahrhundert, nachdem aufgrund der Maschinisierung der japanischen Grüntee-Herstellung der Dämpfungsprozess deutlich effizienter durchgeführt werden konnte als zuvor mit einfachsten Geräten und viel Handarbeit, setzte sich bis zum Ende des 20. Jahrhunderts der gedämpfte Tee (Sencha) in Japan durch. Beim japanischen Matcha, den wir heutzutage trinken, handelt es sich demnach im Regelfall um Pulvertee aus gedämpften Blättern. Im Fall, dass diese Blätter zuvor nicht beschattet wurden, handelt es sich im Bezug auf die Frage des Reichtums der Inhaltsstoffe sozusagen um den Idealfall. Da aufgrund der Pulverform die kompletten Blätter mit all ihren Inhaltsstoffen (auch den nicht-wasserlöslichen und schwer-löslichen) mitgetrunken werden, stellt die Pulverform einen wesentlichen Vorteil dar. Weiterhin vorteilhaft bezüglich der Inhaltsstoffe – besonders der Catechine – ist die Tatsache, dass es sich hier um unbeschattete Blätter handelt (also nicht Kabusecha).

C) Matcha als Pulvertee aus gedäpften und beschatteten Teeblättern
In diesem Abschnitt geht es um die heutzutage vermutlich am weitesten verbreitete Form des Matcha. Geschmacklich ist diese sehr attraktiv, da aufgrund der starken Beschattung, wie wir sie auch vom Gyokuro kennen, wenig Bitterstoffe (Catechine) enthält. Vom Blickwinkel derjenigen aus betrachtet, die gerne einen Tee mit hohem Catechingehalt zu sich nehmen möchten, stellt dies jedoch einen offensichtlichen Nachteil dar. Zwar können aufgrund der Pulverform alle Inhaltsstoffe der gemahlenen Blätter mitgetrunken werden, doch beeinhalten die beschatten Blättern tendienziell weniger Catechine im Vergleich zu unbeschatteten Blättern.

Fazit zum Thema Pulvertee und Catechingehalt
Im Vergleich der hier aufgezeigten Einteilung in drei Kategorien von Matcha (Pulvertee), scheint die Art der in B) genannten Pulvertees im Hinblick auf den Catechingehalt führend zu sein. Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass auch andere Faktoren, wie etwa die Teestrauchsorte, einen Einfluss auf den Catechingehalt des Pulvertees haben. Auf eine Strauchsorte wie Benifuuki zurückzugreifen, scheint in diesem Zusammenhang sinnvoll zu sein, wobei ebenso hier wichtig ist, dass die Blätter nicht fermentiert werden (also kein Oolong/ Wulong).

These 3: Wissenschaftliche Beweise existieren bereits

Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die sich insbesondere mit dem Thema Krebs und Grüntee auseinandersetzen. Viele dieser Studien wurden im asiatischen Raum durchgeführt, und sind daher entweder nur in den Muttersprachen der betreffenden Autoren oder auf English einsehbar. Grundsätzlich geht es bei diesen Untersuchungen im Regelfall um einzelne Krebsarten, und nicht um Krebs im Allgemeinen. Auch wenn einige Untersuchungen recht vielversprechende Ergebnisse aufzeigen, stellt bei vielen Untersuchungen die geringe Anzahl an Studienteilnehmern in der Hinsicht ein Problem dar, dass daher die Ergebnisse nicht als allgemeingültig angesehen werden können. Auch wären in vielen Fällen Langzeitstudien erforderlich, die aber erst nach mehreren Jahrzehnten zu stichhaltigen Ergebnissen führen können. Wobei viele Studien die präventive Wirkung von grünem Tee im Fokus sehen, befassen sich andere Studien jedoch auch damit, wie sich Grüntee-Konsum beispielsweise dann auswirkt, wenn parallel Medikamente eingenommen werden, u.a. während der Chemotherapie. Dabei werden auch mögliche negative Effekte des Grüntees auf die Wirksamkeit der Medikamente erforscht, während unseres Wissens nach bei der Prävention implizit zumeist positive Wirkungen diskutiert werden.

Einen sehr guten Überblick mit 128 Kapiteln über aktuelle Forschungsergebnisse bietet das Sammelwerk „Tea in health and disease prevention“, herausgegeben von Victor R. Preedy, erschienen bei Academic Press 2013, das aus unserer Sicht für alle, die sich einen ernsthaften Einblick verschaffen möchten, sehr zu empfehlen ist.