Nach unserem Treffen mit dem jungen Teegärtner Shutaro Hayashi in Kirishima, steigen wir in den Zug und fahren noch ein Stück tiefer in die Berge. Während der Teegarten von Shutaro Hayashi am Fuße des vulkanischen Gebirges Kirishima gelegen ist, befindet sich das Atelier von NARIEDA Shinichiro, zu dem wir uns nun auf den Weg machen, bereits deutlich tiefer in den Bergen. Von NARIEDAs Garten, der eine wichtige Inspirationsquelle des Künstlers darstellt, hat man fast einen freien Blick auf die Gipfel und Krater der vulkanischen Bergkette Kirishima.

NARIEDA Shinichiro's Garten am Rande eines kleinen Flusses in Kirishima
NARIEDA Shinichiro’s Garten am Rande eines kleinen Flusses in Kirishima

Die Werke, die NARIEDA dieses Jahr für uns angefertigt hat, spiegeln bereits auf den ersten Blick NARIEDAs Verehrung der Natur wieder. Über einen hellen, fast weißen Ton mit punktartigen dunkel-metallischen Einschlüssen lässt NARIEDA eine helle, etwas ins Fliederfarbene tendierende Glasur fließen. Die neuen Teeschalen [yunomi] sind inspiriert von der Berglandschaft Kirishimas im Frühling. Dann nämlich sprießen am Rande der kargen Vulkankrater leuchtend rosafarbene kleinen Blüten, nämlich die der Miyama Kirishima.

Narieda Shinichiro in seinem Atelier in Kirishima
NARIEDA Shinichiro in seinem Atelier in Kirishima

Als NARIEDA bereits im Jahr 2017 eine Serie von Teekannen [shiboridashi kyusu] und kleinen Teeschalen [yunomi] anfertigte, verwendete er damals einen noch helleren, fast strahlend weißen Ton und brannte die Werke so, dass die rosafarbenen Nuancen außergewöhnlich leuchtend wirkten, an vielen Stellen auch stark in ein violettes Rot tendierten. Damals trug er die Glasur mit einer mit den Finger schnippenden Bewegung auf die Werke auf, so dass von Energie geladene, durchaus etwas unruhige Werke entstanden: Ein Aufbruch in den Frühling. So könnte man die damaligen Werke als die ersten Frühlingstage interpretieren, an denen die Sonne mit voller Kraft auf die Blüte der Miyama Kirishima fällt, und das Singen der Bergvögel laut zu hören ist.

Hellblau-violette Yunomi von Narieda Shinichiro
Hellblau-violette Yunomi von NARIEDA Shinichiro, angefertigt im April 2019

Die Farbenpracht der diesjährigen Werke hingegen ist nicht weniger facettenreich, jedoch etwas abgerundeter. Der verwendete Ton ist nicht ganz so strahlend hell, durch ein leichtes Hellgrau oder helles Beige eher abgetönt, wie er auch für Werke in einem traditionellen Teeraum verwendet werden könnte. Um die Farbe des Tee in den Teeschalen gut zu untermahlen, experimentierte NARIEDA für die nun im Frühjahr 2019 geschaffenen Werke mit einer besonders hoch eingestellten Temperatur des Ofens und einem eher langen Brand, so dass die Farbtöne der Glasur zwar intensiv aber eher hell erscheinen. So entstand die diesjährige Serie an Teeschalen mittlerer Größe, die von hellen Fliedertönen und teilweise sogar von ins helle Türkis oder helle Blau tendierenden Farbnuancen geprägt sind. Durch die hohe Brenntemperatur fließt die Glasur so glatt wie polierte Jade über die wohlgeformte runde Fläche der Teeschalen, so dass jede Berührung mit den Werken der Haut schmeichelt.

Wie in einem Traum fliegen die von Wind fortgetragenen Blüten der Miyama Kirishima durch den hellblauen Himmel und rieseln die Sonne reflektierend herab in den kleinen Garten des Keramikers.

Chawan von Narieda Shinichiro: violett-rote Glasur auf schwarzem Ton
Chawan von NARIEDA Shinichiro: violett-rote Glasur auf schwarzem Ton

Nachdem der Keramiker heute die Werke der neuen Serie zusammen mit seiner Frau sorgsam für uns verpackt hat, bringen wir sie noch zum Postamt des kleinen Bergdorfes. Morgen beginnen in Japan nämlich einige Feiertage, die zusammen die „Golden Week“ bilden, an denen das Postamt geschlossen sein wird. Nun ist alles vorbereitet, dass die Werke NARIEDAs, die er als seine Kinder bezeichnet, seinen Weg nach Europa antreten werden.

Atelier von Narieda Shinichiro in Kirishima
Das Atelier von NARIEDA Shinichiro in Kirishima

Am Abend kommt noch ein Freund des Künstlers vorbei, der mit NARIEDA und uns zusammen im Atelier zu Abend ist. NARIEDA hat dafür die seltenen Sprossen in seinem kleinen Garten geerntet, die auf Japanisch als „tara-no-me“ bezeichnet werden. NARIEDAs Frau hat sie für uns zubereitet, und wir genießen sie zusammen mit grünem Tee, den wir selbstverständlich aus den von NARIEDA angefertigten Werken trinken.