Unsere Reise führt uns heute in die Nachbarpräfektur von Kyoto, nach Nara. Die Bahnstrecke schlängelt sich malerisch an einem Fluss entlang durch eine dünn besiedelte Bergregion. Am Bahnhof empfängt uns heute Fumiaki vom Teegarten Suikyo. Im Auto berichtet er uns, wie weit die Sträucher in diesem Jahr schon gewachsen sind und erzählt auch von einigen neuen Projekten. Er rechnet damit, dass in etwa zwei Wochen die Ernte in ihrem Teegarten beginnen wird. Je nach Wetterentwicklung in den nächsten Wochen liegt der erste Erntetag damit zwischen fünf bis zehn Tage später im Vergleich zum Vorjahr.

Ausblick vom Suikyo Teeberg der Lage Miya-Yama
Ausblick vom Suikyo Teeberg der Lage Miya-Yama

Zuerst fahren wir zur Lage Miya-Yama. Hier treffen wir Fumiakis Vater beim Schneiden der Beikräuter an. Bis zur Ernte müssen alle Parzellen möglichst frei von Beikräutern sein. Im Bio-Anbau, in dem das Scheiden der Beikräuter nur mit der Hand und bestenfalls mit  Motorsense möglich ist, bereitet das besonders viel Arbeit. Fumiaki zeigt uns in dieser Teegartenparzelle, was sie hier als Dünger eingebracht haben: Holzschnitt von Eiche und japanischer Kastanien-Eiche. Er erklärt uns, dass diese Art der Düngung für die Herstellung von gewelktem Tee und Schwarztee besonders geeignet ist. Das Holz stammt aus dem direkt angrenzenden Wald. Dieser Wald wird schon seit Generationen bewirtschaftet. Die Bäume werden im Alter von 20 bis 30 Jahren gefällt und daraufhin werden wieder neue Bäume angepflanzt. Die dicken Stämme werden für den Shiitake-Anbau verwendet, die dünnen Seiten-Äste dienen zerkleinert als Düngung für die Teefelder. Dafür werden die dicken Stämme in etwa einen Meter lange Stücke gesägt und es werden Sporen von Shiitake-Pilzen in das Holz eingesetzt. Danach werden die Holzstämme im Wald aufgestapelt. Zwei Jahre nach dem Einsetzen der Shiitake-Sporen, können zum ersten Mal Shiitake-Pilze geerntet werden. Nach vier Jahren ist das Holz durch die Shiitake-Pilze fast vollständig zersetzt. Fumiakis Vater kümmert sich neben der Hilfe im Teegarten um den Shiitake-Anbau. Dafür bereitet er jedes Jahr 3.000 Stämme.

Holzschnitt für die Düngung im Miya-Yama Teeberg von Suikyo
Holzschnitt für die Düngung im Miya-Yama Teeberg von Suikyo

Von der Teegartenlage Miya-Yama aus kann man sehr schön in die Ferne blicken. Von hier aus sehen wir eine rot-bräunliche Parzelle. Diese hat das Team von Suikyo vor kurzem übernommen. In der Umstellungsphase von konventionellem Anbau zu biologischem Anbau, die drei Jahre dauert, werden hier die Büsche zweimal pro Jahr komplett heruntergeschnitten. Die Blätter und Äste verbleiben auf der Parzelle. Die Suikyo-Parzellen, die bereits seit Jahren biologisch bewirtschaftet werden, werden nur einmal im Jahr, im September komplett heruntergeschnitten. Die Zeit zwischen September und der ersten Ernte im Mai ist dann die entscheidende Phase für den Geschmack des Tees.

Einige Sträucher zeigen neben den zarten neuen Trieben auch alte Blätter, die von den Pflanzen abgeworfen werden. Fumiaki erklärt uns, dass im natürlichen Anbau die Pflanzen die Blätter, die sie nicht benötigen, abwerfen. Bei intensiveren Landwirtschaftsformen, die mit sehr starker Düngung arbeiten, passiert das nicht.

Helfer räumen schützende Äste vom 2018 neu angelegten Teeberg
Helfer räumen schützende Äste vom 2018 neu angelegten Teeberg

Wir fahren weiter zu einem Berghang. Am Fuße liegt eine kleine Parzelle, in die Luna, Fumiaki und ihre Helfer in diesem Jahr Teesamen eingebracht haben. Hier ist noch nichts zu sehen. Etwas weiter den Hang hinauf kümmern sich gerade zwei Helfer darum die Saatstellen vom letzten Jahr freizulegen. Als Schutz vor Wind und Frost haben Suikyo die Saatstellen mit geschnittenem Gras und kleinen Ästen abgedeckt. Ansonsten wurde auf der Parzelle so wenig wie möglich verändert – keine Ränder begradigt oder Flächen eingeebnet. Die Form des Berges ist komplett erhalten. Hier sieht man nun auch schon kleine Pflänzchen – sechs bis acht pro Saatstelle. Hier sollen Mishou Beni Hikari Sträucher wachsen.  Diese Varietät eignet sich besonders gut für gewelkte und fermentierte Teesorten.

Fumiaki verwendet  den Begriff „ichou“ für den Prozess des Welkens. „Ichou“ ist bei Suikyo definiert als ein Prozess, bei dem die Teeblätter etwas Wasser verlieren und einen intensiven Duft entwickeln ohne dabei die grüne Farbe zu verlieren. Dieser Prozess findet statt, bevor die Blätter geknetet wurden. Den Begriff „hakkou“ verwendet Fumiaki für die Fermentation von Teeblättern – also die Reaktion mit Sauerstoff, die nach dem Rollen, also nach dem Aufbrechen der Blattzellen, stattfindet. Hierbei kommt es zu einer Farbänderung ins Rötliche. Der Begriff „hakkou“ steht genau wie der Begriff „Fermentation“ für enzymatisch ablaufende Prozesse.

Beni Hikari Mishou Pflanzen im neu angelegten Teeberg
Beni Hikari Mishou Pflanzen im neu angelegten Teeberg

 

Von den sechs bis acht kleinen Pflanzen wird jeweils die Pflanze im Boden belassen, die der Beni Hikari am ähnlichsten ist. Die anderen kleinen Pflanzen werden entfernt. Fumiaki nimmt eine junge Pflanze aus dem Boden, die der Beni Hikari nicht besonders ähnlich sieht, um uns zu zeigen, wie die Wurzeln verlaufen. Er erklärt uns, dass die samengezogenen  Teepflanzen, die am Hang angepflanzt werden, eine besonders kräftige, dicke Pfahlwurzel ausbilden. Es geht hier allerdings wie bereits erwähnt nicht um gewöhnliche Zairai-Pflanzen, sondern um postselektierte Zairai-Pflanzen, die somit einer bestimmten Varietät sehr ähnlich ist.

Suikyo Woodwind Teeberg: 45 Jahre alte Yabukita Pflanzen
Suikyo Woodwind Teeberg: 45 Jahre alte Yabukita Pflanzen

Für die Herstellung von gewelktem oder fermentiertem Tee eignen sich besonders gut Standorte mit einem lehmigen Boden. Unsere nächste Station ist daher die Parzelle, von der die Blätter für den Suikyo Woodwind Oolong Tamaryokucha stammen. Es ist ein alter Teeberg, der nicht begradigt wurde. Die ursprüngliche Bergform und Bodenzusammensetzung – ein lehmiger Boden – wurde vom Menschen nicht wesentlich verändert. Die Yabukita-Sträucher wurden hier vor 45 Jahren angepflanzt. Seit 30 Jahren wird dieser Teeberg biologisch bewirtschaftet und seit sieben Jahren nur noch mit pflanzlichem Material gedüngt: Laub, Gras und Holzschnitt. Aus diesen Gründen eignet sich diese Parzelle Fumiakis Erfahrung nach, hervorragend für die Herstellung des gewelkten Tees „Suikyo Woodwind“.

Aufgestapelte Holzrahmen für das Welken der Yabukita Teeblätter für den Suikyo Woodwind
Aufgestapelte Holzrahmen für das Welken der Yabukita Teeblätter für den Suikyo Woodwind

Unsere nächste Station ist die kleine Teeverarbeitungsanlage von Suikyo, die idyllisch am Waldrand gelegen ist. Hier sehen wir auch das Waldstück in dem die Blätter für die Tamaryokucha-verwandte Teesorte Suikyo Woodwind gewelkt wird. Direkt neben der Fabrik geht es ein kleines Stück bergauf. Während der Erntezeit liegen hier die mit Netzen bespannten Holzrahmen, auf denen die frisch geernteten Blätter welken. Die Blätter werden spät nachmittags geerntet und anschließend vorsichtig auf die in den Holzrahmen gespannten Netze ausgebreitet. Über Nacht bleiben diese gestapelt unter einem Vordach der Teefabrik. Am nächsten Morgen werden die Holzrahmen in den Wald getragen, wo sie den Tag über liegen. Im Wald ist es kühl und schattig – perfekt für einen ganz sanften Welkvorgang. Etwa dreimal werden die Teeblätter in den Holzrahmen gewendet und vorsichtig durchmischt, sodass die Blätter gleichmäßig welken. Für die Herstellung von gewelktem Grüntee zieht Fumiaki das Welken im Wald dem Welken in belüfteten Behältern vor. Bei der Schwarzteeherstellung, der er sich auch widmet, welkt er die Teeblätter hingegen in Behältern, die mithilfe eines Ventilators belüftet werden.

Fumiaki zeigt uns das Waldstück, in dem die Teeblätter für den Suikyo Woodwind welken gelassen werden
Fumiaki zeigt uns das Waldstück, in dem die Teeblätter für den Suikyo Woodwind welken gelassen werden

Der Höhepunkt des Welkduftes ist etwa gegen Nachmittag erreicht. Die gewelkten duftigen Teeblätter werden nun in die Teefabrik gebracht und dort ganz kurz gedämpft (asamushi). Anschließend werden sie in einer als „Soujuu-ki“ bezeichneten Maschine aufgelockert. Die Soujuu-ki ist eine mit Bambus ausgekleidete Trommel mit Greifarmen darin. Die Teeblätter werden hier aufgelockert und durch die Greifarme immer wieder an die mit Bambus ausgekleidete Außenwand der Trommel gedrückt. Entgegen der üblichen Grünteeherstellung entfällt bei der Herstellung des Woodwind das Kneten der Teeblätter. Die Blattstruktur bleibt dadurch weitestgehend erhalten. Im Anschluss an die Soujuu-ki werden die Blätter in eine Saikan-ki gebracht und dort getrocknet. Eine solche Maschine – ebenfalls eine mit Bambus ausgekleidete Trommel, nutzt auch Shigeru Morimoto für seinen GO EN Tamaryokucha. Auch Junji und Yusuke Kadota verwendet die Saikan-ki zum Trocknen. Im Anschluss daran werden die Teeblätter in der Kansou-ki bis zum Endstadium getrocknet. Diese Herstellungsweise ist sehr puristisch – nur die wichtigsten Verarbeitungsvorgänge werden durchgeführt, und nichts Unwesentliches. Das ähnelt am meisten der Herstellung von gedämpftem Tamaryokucha.

Suikyo Asamidori Sencha Teegarten: früher austreibende Yabukita im Vordergrund, später austreibende Oku Midori im Himtergrund
Suikyo Asamidori Sencha Teegarten: früher austreibende Yabukita im Vordergrund, später austreibende Oku Midori im Hintergrund

Auf dem Weg von der Teefabrik zum Wohnhaus von Fumiaki und Luna halten wir noch an einem Teefeld, das Fumiakis Vater vor 35 Jahren angelegt hat. Es war damals eine Zeit, in der die Gemeinden verstärkt Waldflächen für die Landwirtschaft freigegeben haben. Da diese Fläche neu zum Teegarten hinzukam, hat sich Fumiakis Vater gedacht, hier könne man auch mal etwas ausprobieren. Mit diesem Teefeld hat er vor 35 Jahren mit dem biologischen Anbau gestartet. Seitdem wird hier nur mit Gräsern und etwas Rapstrester gedüngt. Auf diesem Teefeld (Teefeld = begradigte Parzelle, Teeberg = unbegradigte Parzelle) stehen Pflanzen der Varietäten Yabukita und Oku Midori. Der Boden ist vulkanisch mit Graniteinschlüssen. Fumiaki beschreibt diese Bodenzusammensetzung als sehr gut geeignet für die Herstellung von Sencha, also gedämpftem Grüntee, der üblicherweise nicht gewelkt oder fermentiert wird. Auch hat er beobachtet, dass die Teeblätter und auch der Aufguss von Tee aus Parzellen mit vulkanischem Boden eher grün sind, wo hingegen die Blätter und der Aufguss von Pflanzen auf lehmigem Boden eher Richtung gelb tendieren. Von dieser hier beschriebenen Lage – dem ältesten Bio-Teegarten von Suikyo – stammt der Suikyo Asamidori Sencha.

Im Wohnhaus treffen wir nun auch Luna und Yoko wieder, die uns im letzten Jahr bei der Tour durch den Teegarten auch begleitet haben. Zusammen trinken Luna und Fumiaki mit uns zum allerersten Mal den 2018er Suikyo Woodwind, der nun nach knapp einem Jahr Reifung endlich seinen perfekten Zustand erreicht hat, um für den Genuss freigegeben zu werden. Im Gegensatz zur normalen Teeproduktion in Japan lassen Suikyo ihre Tees im Kühlraum über einige Zeit – Monate bis zu Jahre – ablagern und reifen. Wir sind begeistert von diesem wunderbaren Ergebnis.

Teeverkostung mit Luna und Fumiaki im Suikyo Teegarten
Teeverkostung mit Luna und Fumiaki im Suikyo Teegarten

Während wir den interessanten Gedanken von Luna und Fumiaki gespannt folgen, trinken wir einen Aufguss nach dem anderen. Als weiteres Highlight gießt uns Fumiaki noch einen sehr spannenden Oolong von 2013 auf. Er hat in diesem Jahr eine kleine Testproduktion gemacht und möchte nun unsere Meinung dazu hören. Dieser Tee ist nicht nur gewelkt sondern auch leicht fermentiert. Wir sind begeistert. Es dominieren tiefe Fruchtnoten, gepaart mit einem leicht nussigen Aroma. Wir bitten die beiden in diesem Jahr diese Teesorte erneut zu produzieren, so dass sie in einigen Jahren ihren Weg zu uns nach Europa finden können wird. Wir halten euch auf dem Laufenden.

Zum Abschied übergibt uns Luna noch eine Kyusu, die sich besonders gut zum Aufgießen der Suikyo-Tees eignet und einige Teemuster, bevor wir zum Bahnhof zurück eilen. Es ist mittlerweile dunkel geworden und wir sind dankbar, dass Fumiakis Mutter einige Onigiri für uns vorbereitet hat. Wir sterben fast vor Hunger. Die Besuche bei Suikyo sind aber immer so spannend, dass wir während der Gespräche völlig die Zeit vergessen und ganz in ihre Welt und ihre Gedanken eintauchen.