Ein langer Flug liegt hinter uns – viele Stunden still sitzen. Unser erster Tag in Japan soll deshalb einen willkommenen Kontrast hierzu darstellen. Es ist nicht unser Ziel eine bestimmte Sehenswürdigkeit zu sehen, sondern wir nehmen uns einfach vor viel zu laufen und in die Stimmung von Kyoto einzutauchen. Irgendwo, wo es grün ist, möchten wir uns Zeit nehmen die Atmosphäre zu genießen.
Zuerst laufen wir am Garten „Shosei-En“ vorbei. Wir kennen ihn bisher nur von außen. Einige Male schon sind wir auf dem Weg zum Kamo-gawa daran vorbei gelaufen, aber es gab bisher noch keine Gelegenheit den Garten von innen zu besichtigen. Heute nehmen wir uns Zeit den Garten genau kennenzulernen. Für uns ist natürlich besonders interessant, dass es trotz der kleinen Größe des Parks gleich vier Teehäuser gibt. Leider können wir sie nur von außen besichtigen, da die Teehäuser auch heute wie zumeist nicht für die Öffentlichkeit zu besichtigen sind.
Das Sochin-kyo Teehaus liegt etwas abseits am Rande des Parks. Es besteht aus zwei Teeräumen. An den kleinen nur drei Tatami-Matten großen Teeraum schließt eine Veranda an, die zu einem kleinen See heraus führt. Von hier aus blickt man über den kleinen See hinüber zum Teehaus „Shukuen-tei“.
Das Shukuen-tei Teehaus liegt auf einer kleinen Anhöhe inmitten des kleinen Sees. Das Teehaus besteht aus zwei diagonal zu einander angeordneten Teeräumen, die durch einen Gang miteinander verbunden sind. Der kleine drei Tatami große Teeraum liegt etwas erhöht, sodass man von dort aus einen phantastischen Blick über den Garten erlebt. Am Fuße des Teehauses finden wir noch Teile der alten Wasserstelle Shiogama. Hier wurde einst das Wasser für die Zubereitung des Tees geholt. Die Quelle ist mittlerweile jedoch versiegt.
Die Teehäuser wurden nicht nur für die Teezeremonie mit Matcha sondern auch für Sencha-do genutzt. Letztere war die bevorzugte Art des Teegenusses der hohen Gesellschaft von Kyoto. Der Garten „Shosei-En“ war in jener Zeit hierfür ein besonderer Ort und ist heute noch ein Wahrzeichen der japanischen Teekultur, auch wenn die Teehäuser leider nur selten zugänglich sind. Es gibt nur wenige Anlagen, in denen man eine Runde durch vier Teehäuser machen kann. Neben Tee wurden zu jener Zeit in den vier Teehäusern selbstverständlich auch Sake und bestimmte Speisen gereicht, wie es bei der Teezeremonie üblich ist.
Unser Weg führt uns weiter in Richtung Higashiyama, dem Tempelbezirk. In dieser Gegend findet man noch viele alte Gebäude und viele sehr schöne Tempelanlagen. Leider ist diese schöne Gegend heutzutage jedoch oftmals sehr von Menschen überströmt, da sie in jedem Reiseführer Erwähnung findet. Ein ruhiges Plätzchen zu finden erscheint schwierig, aber wir verlieren nicht die Hoffnung. Etwas abseits der bekannten Wege entdecken wir nach einiger Zeit einen Wegweiser zu einem kleinen Tempel am Waldrand. Wir folgen dem Schild und finden eine kleine Treppe und ein verschlossenes Tempeltor. Aber dennoch haben wir so einen wirklich schönen Ort gefunden um zu verweilen. Neben der Treppe beginnt ein kleiner Bambuswald und über uns bewegen sich feine Ahornblätter im Wind. Über uns zwitschern Vögel und wir entdecken einen grünen Vogel, der aufgeregt von Ast zu Ast springt. Ist es ein Mejiro?
Auf dem Weg zu unserer Unterkunft streifen wir noch einmal durch einen wirklich schönen Teil Kyotos und verweilen kurz auf einer Brücke. Hier sehen wir noch die letzten Kirschblüten des Jahres. Die Vollblüte ist schon eine ganze Weile her, aber hier und da entdeckt man noch einige hellrosafarbene Blüten.
Abends hören wir von Haruyo und Shigeru Morimoto noch eine guten Nachricht: Sie haben heute mit der Shincha-Ernte begonnen. Auch Kazuya Matsumoto von Sakura-No En meldet sich mit einem konkreten Zeitplan: Er plant morgen den Sakura-No Shincha Moe für uns und alle Moe-Liebhaber in Europa zu ernten. Nächste Woche besuchen wir diese beiden Gärten. Dann melden wir uns natürlich wieder mit Neuigkeiten. Die nächsten drei Tage bleiben wir noch auf der Hauptinsel Honshu, wo wir den Garten von Iwao und Kimihiko Hayashi in Mie besuchen werden, als auch den Suikyo-Teegarten von Luna und Fumiaki in Nara.