Mit einer herzlichen Umarmung begrüßt uns heute KATO Juunidai [KATO Hiroshige]. Unsere Reise führt uns heute in den seit vielen Jahrhunderten angesehenen Keramikort Seto, der unter dem Schutz des Tokugawa Shogun zu seiner Blüte kam. Auf dem Weg zu KATOs Atelier berichtet der Keramiker davon, dass er einige Exemplare von neuen Matchaschalen [chawan] und Teeschalen [yunomi] für uns zur Ansicht gefertigt hat.
Im Atelier sehen wir uns zunächst noch einige alte Werke von KATO Juudai, der 10. Generation der Keramikerfamilie KATO an. Von seinem Großvater wurde der heutige Keramiker KATO Juunidai [die 12. Generation] im Anfertigen der traditionellen Keramik unterrichtet. KATO Juunidai war noch in seinen jungen Jahren, als sein Großvater bereits Bekanntheit für seine Werke erlangt hatte, und im Laufe der Jahre immer kompliziertere und ausgefallenere Werke anfertigte.
Für unseren heutigen Besuch hat sich KATOs Mutter in einigen abgelegenen Räumen der alten Werkstatt und des Wohnhauses umgesehen, um von den wenigen noch verbliebenen alten Werken des Großvaters einige herausragende Stücke herauszusuchen. Es kommt zur Sprache, ob wir noch einige Exemplare der alten Werke erwerben, um sie bei Ausstellungen in Europa präsentieren zu können, oder um sie dortigen Sammlern anbieten zu können. Wir machen Fotos von einigen der alten Matchaschalen [chawan] um in Ruhe überlegen zu können, und dann KATO Juunidai in den kommenden Tagen unsere Entscheidung übermitteln zu können.
Daran zeigt uns KATO die unterschiedliche Auswirkung des Oxidations- und Reduktionsbrandes auf Ton und Glasur. Während beim Oxidationsbrand die Temperatur nicht so hoch ist und dadurch der Ton weniger schrumpft, ergibt sich in der Glasur ein ausgeprägtes Craquelée. Die Schalen altern sehr schön, indem sich in die feinen Risse in der Glasur bei Gebrauch Tee ablagert und so beeindruckende Strukturen entstehen können. Diesen Effekt kann man auch durch Einlegen der Keramiken in einen Auszug aus Eichelschalen erreichen. Beim Reduktionsbrand hingegen wird mit einer höheren Temperatur gebrannt. Der Ton schrumpft hier viel stärker und die Struktur ist nach dem Brand sehr geschlossen. Auch bildet sich weniger oder gar kein Craquelée. Beim Oxidationsbrand erscheint der helle Ton aus Seto etwas dunkler und wirkt eher gealtert, während er beim Reduktionsbrand sehr gleichmäßig hell bleibt.
Es sind schon einige Monate vergangen seit KATO Juunidai für seine Keramik-Ausstellungen in Europa zu Besuch war. Auf der damaligen Reise mit ihm entstanden einige Ideen für neue Werke. Während die seit vielen Jahrhunderten bestehende Keramik-Tradition seiner Familie für den Keramiker eine ebenso wichtige Rolle spielt wie die Tradition seines Heimatortes Seto, sind neue Ideen aber ebenso willkommen. Dabei geht es nicht darum, etwas vollkommen Neues zu machen, sondern bestimmte traditionelle Elemente mit neuen Facetten zu kombinieren. Dieses Mal besteht seine Arbeit darin, eine Teeschale mit traditioneller Funktion, nämlich eine Matchaschale, mit einer traditionellen Glasur, nämlich Nezumi Shino, mit einer besonderen Formenwelt in Verbindung zu setzen.
Auch wenn man derartige Matcha-Schalen [chawan] nur selten findet, gibt es eine gewisse Tradition japanischer Keramiker, bestimmte Elemente aufzugreifen, die unter anderem von europäischen Künstlern im 20. Jahrhundert Verwendung fanden. Interessanterweise geht es hierbei gerade auch um Künstler, die sich wiederum stark von älterer japanischer Kunst inspirieren ließen. Während der Ausstellung von KATO Juunidai [KATO Hiroshige] in Paris auf dem Montmartre, kam das ehemalige Atelier von Pablo Picasso zur Sprache, das sich nur wenige Gehminuten vom Ausstellungsort der KATO-Ausstellung befindet. Auch war Montmartre der Ort der Entstehungen des Kubismus. Die Vorgehensweise, keramische Werke wie etwa Teeschalen mit Schnitten zu bearbeiten, kennt man durchaus in der japanischen Kunstwelt. Manchmal handelt es sich dabei nur um ein oder zwei kleinere Schnitte, die die Form nicht grundlegend verändern. Manchmal geht es aber auch um viele vertikal verlaufende eher breite Schnitte, um eine ganze Matchaschale [chawan] herum, die die gesamte an sich runde Form in eine kantige Form verwandeln. Bei KATO Juunidais neuen Werken geht es allerdings um Matchaschalen, die fast komplett durch akzentuiert gesetzte Schnitte geprägt sind, sowohl vertikal und horizontal, als auch diagonal. So ergibt es sich, dass die Formen in gewisser Weise daran erinnern, wie bei bestimmten kubistischen Gemälden die Gegenstände in einfachere geometrische Formen zerlegt werden. Obwohl diese neuen Werke von KATO Juunidai sicherlich nicht der Stilrichtung des Kubismus angehören, jedoch von der kubistischen Interpretation der Umgebung inspiriert sind, hat sich in den Gesprächen zwischen KATO und uns mittlerweile der Arbeitstitel „Rittai-shugi no chawan“ [Kubismus-artige Matchaschale] ergeben. Die ersten Werke dieser Generation werden voraussichtlich im frühen Sommer 2019 bei uns eintreffen, und dann bei einschlägigen Händlern erhältlich sein.
Nachdem wir in seinem Atelier alles besprochen haben, gehen wir noch hinaus in KATOs Garten. Dort zeigt er uns ein Werk seines Großvaters: ein Monument mit zwei Komainu [Löwenhunde zur Abwehr von bösen Geistern bei buddhistischen Tempeln oder Shinto-Schreinen]. Daneben findet sich ein Werk aus noch früherer Zeit, das einer seiner frühen Vorfahren für die Tokugawa Familie gefertigt hat. Heute sollen wir wieder einmal noch etwas mehr über die Geschichte seiner Familie und die Verwurzelung in der Geschichte von Seto und Schutzherrschaft des Tokugawa Shogun zu damaliger Zeit erfahren.
Zwei Arten von Metall sind die ältesten, die für die Färbung von Glasuren Verwendung finden: Eisen und Kupfer. Je nach der Art der Brenntechnik entstehen hierbei unterschiedliche Färbungen. Während Eisen im Reduktionsbrand eine schwarze Färbung der Glasur bewirkt, entwickelt der Zusatz von Eisen beim Oxidationsbrand eine rötlich-bräunliche Färbung. Der Zusatz von Kupfer in der Glasur bewirkt beim Reduktionsbrand eine Rose-Färbung, beim Oxidationsbrand wird die kupferhaltige Glasur grün. Eine für Seto sehr bekannte kupferhaltige Glasur ist die Oribe Glasur. Oribe beschreibt einerseits diesen grünen Glasurtyp, andererseits auch einen Stil der Bemalungen und asymmetrische Aspekte im Design beschreibt, denn Oribe war nicht nur Teemeister sondern auch Designer. Neben Matchaschalen [chawan] und anderen Utensilien für die Teezeremonie entwarf er auch Muster für Kimonos.
Am Tempel „Unkouji“ zeigt uns Kato ein Lotosblütenförmiges Gefäß vor einem großen Denkmal. Dieses Gefäß schuf sein Großvater KATO Juudai vor 47 Jahren zum Andenken an einen bekannten Keramiker in Seto.
In Seto kann man noch heute die verschiedenen Entwicklungsstufen vom Keramikbrand sehen. Zuerst wurde noch im offenen Feuer gebrannt. Da offenes Feuer nicht heiß genug und außerdem die Temperatur schwer zu kontrollieren war, entwickelte sich als Stufe der als „Anagama“ bezeichnete Ofentyp. An einem Hang mit Tonvorkommen wird direkt an Ort und Stelle der Ton genutzt um Gefäße zu schaffen. Gleichzeitig entsteht durch die Aushöhlung im Boden der Ofen. Es werden also beim Tonvorkommen Keramiken gefertigt und direkt auch dort gebrannt. Diese Brenntechnik im Anagama hat sich auch deshalb entwickelt, da es schwierig war den Ton abzubauen und über weite Strecken zu transportieren. Nachteilig bei diesem Brennverfahren hat sich jedoch herausgestellt, dass am oberen Teil des Anagama die Temperatur zu niedrig war. Hier konnte man nicht nachheizen. Der obere Teil wurde lediglich durch das Feuer im unteren Teil erwärmt. Die Keramiken im oberen Teil sind daher oftmals nicht hoch genug erhitzt und konnten oftmals nicht verwendet werden.
Die nächste Entwicklung, die wir uns heute anschauen werden, ist der Noborigama. Hier gibt es eine Feuerkammer ganz unten und dann darüber liegend mehrere Brennkammern für die Keramik. Diese Brennkammern können zusätzlich von der Seite beheizt werden, sodass die Keramiken gleichmäßiger erhitzt werden können und auch in den oberen Kammern hohe Temperaturen erreicht werden. Wir besuchen einen Freund von KATO, der einen solchen Ofen noch betreibt. Einmal im Jahr wird er beheizt. Um alle Brennkammern nutzen zu können, muss der Ofen über fünf Tage hinweg durchgängig mit Holz befeuert werden. Da im Seto-Stil ein Ascheanflug nicht gewünscht ist, werden die Keramiken in speziell für das Abdecken gefertigten Tongefäßen verpackt gebrannt. Die beim Verbrennen des Holzes entstehende Asche, die sich auf der Oberfläche der Werke ablagern würde, lagert sich nun auf dem äußeren Tongefäß ab. Die eigentliche Keramik erhält ihre Farbe lediglich durch die aufgetragene Glasur. Es ist demnach eine Stilfrage, ob ein Ascheanflug gewünscht ist oder nicht.
Die Keramikerfamilie KATO brannte in alter Zeit mit einem Noborigama, später dann mit einem mit Kohle befeuerten Brennofen, und nutzt heute vor allem mit Gas beheizte Öfen.