Es ist unser erster Teegartenbesuch in diesem Jahr! Endlich dürfen wir wieder das frische Grün der ersten Triebe des Jahres bestaunen. Wir treffen uns mit Iwao und Kimihiko Hayashi. Hier in Mie sind die ersten Triebe zwar schon zu sehen, jedoch sind sie noch sehr klein. Kimihiko rechnet damit, dass etwa am 3. oder 4. Mai mit der ersten Ernte 2018 begonnen werden kann. Zum Vergleich, 2017 war der erste Erntetag in Mie der 7.Mai. Dieses Jahr ist wirklich verrückt: Erst war es sehr lange außergewöhnlich kalt mit Frost im März und Anfang April. Danach wurde es recht plötzlich warm und zum Teil wechselhaft-regnerisch, wodurch die Tee-Pflanzen sehr schnell gewachsen sind. Hieß es bei unseren Telefonaten von vor zwei-drei Wochen noch, dass die Ernte in Japan dieses Jahr normal bis eher spät stattfinden würde, hat sich das Bild schlagartig geändert. Nun ist ein frühes bis sehr frühes Erntejahr zu erwarten. In den südlichen Präfekturen Kagoshima, Kumamoto und Miyazaki hat die erste Ernte 2018 bereits begonnen.
Obwohl sich der über 80-jährige – mittlerweile Urgroßvater – Iwao Hayashi seit Mitte des letzten Jahres aus der Arbeit im Teegarten weitestgehend zurückgezogen hat, ist ihm das Treffen mit uns wichtig, so dass er sich mit seinem jüngsten Sohn Kimihiko und uns zusammen setzt. Wir kommen ins Gespräch über die Endverarbeitung und finale Erhitzung. Im Japan-Tee-Center, einer Vereinigung von Betrieben der japanischen Teebranche, hat er gehört, dass für den japanischen Markt eine starke Finalerhitzung in der letzten Zeit sehr gefragt sei. Durch eine starke Finalerhitzung verlieren die Blätter der verschiedenen Tee-Strauchvarietäten weitgehend ihre jeweils besonderen geschmacklichen Eigenschaften. Zudem gehen durch eine starke finale Erhitzung bittere und herbe Nuancen in derartig verarbeiteten Tees weitgehend verloren. Gleichzeitig entwickeln sich nussige bis röstige Aromen. Der Geschmack solcher stärker final erhitzten Tees ist vergleichsweise gefällig. Auch ungeübte Teetrinker können mit einem solchen, als „kobashii“ bezeichneten Geschmack, etwas anfangen. Im Fokus dieser Tendenz stehen besonders die jüngeren japanischen Generationen, die mit ausdifferenzierteren Geschmacksrichtungen – so wird es zumindest antizipiert – nicht so viel anfangen können. Bei den genannten Überlegungen geht es nicht um ohnehin besonders stark finalisierte Teesorten der Kategorie Houjicha, sondern es geht um den Grad der finalen Erhitzung von grünen Teesorten wie z.B. Sencha, Kabusecha oder Tamaryokucha. Etwas allgemeiner gesprochen finden wir solche Röstaromen, wie wir sie in stark final erhitzten Sencha-Sorten schmecken auch in ganz vielen anderen Lebensmitteln, die bis zur leichten oder gar stärkeren Bräunung erhitzt werden. Unsere moderne Ernährung steckt voller Röstaromen. Denken wir nur an die große Anzahl an Gerichten, die gebraten, gebacken oder gar gegrillt werden.
Sowohl unserer, als auch Iwaos und Kimihikos Geschmack, geht da eher in eine andere Richtung. Eine eher schwache, also mit niedrigerer Temperatur geführte Finalerhitzung erhält die Eigenheiten der jeweiligen Tee-Strauchvarietät, der Lage und des Bodens. Sowohl die Region als auch die Teestrauchvarietät kommen somit bei einem leichter final erhitzten Tee deutlich mehr zur Geltung. Somit gibt es deutlich mehr Feinheiten zu schmecken. Der Tee wirkt belebend und gleichzeitig erfrischend sowie temperaturregulierend, selbst wenn er mit warmen Wasser zubereitet wird.
Unser Gespräch entwickelt sich langsam in Richtung der ökologischen Landwirtschaft. Iwao berichtet von seinen Erfahrungen, als er in den 1970er Jahren noch Pestizide einsetzte. Damals schützte er sich beim Spritzen der Pestizide mit einem Schutzanzug, Handschuhen und mehreren Atemmasken übereinander. Dennoch plagten ihn nach der Arbeit so schlimme Kopfschmerzen, dass er dachte, sein Kopf würde platzen. Als er seinen Nachbarn davon berichtete, meinten diese nur, dass bei ihnen die Wirkung nicht ganz so schlimm sei – also aushaltbar. Für Iwao waren diese Kopfschmerzen der Beginn des Umstellungsprozesses auf biologische Landwirtschaft. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es wirklich nötig wäre, derartige Chemikalien zu benutzen wie bis zu diesem Zeitpunkt, obwohl es von Seiten der Genossenschaft immer so propagiert wurde. Viele Landwirte können sich bis heute nicht vorstellen, dass es möglich ist ohne Pestizide guten Tee herzustellen. Heute berichtet Iwao Hayashi, wären die Nachbarn seinen Ideen gegenüber etwas aufgeschlossener, als noch vor etwa 40 Jahren, als er als Pionier des Bio-Teeanbaus noch verachtet wurde.
Doch bevor wir uns Zeit nehmen einen Blick in den Teegarten zu werfen, geht es in unserem Gespräch noch um die Erschaffung eines neuen Tees: Iwao und Kimihiko Hayashi planen ihn aus einer seltenen Tee-Strauchvarietät ihres Gartens herzustellen. Beim Durchschreiten des Teegartens, von dem dieser neue Tee kommen soll, strömt uns ein betörender Duft entgegen. Ihr dürft gespannt sein, was es dieses Jahr von Iwao und Kimihiko Hayashi Neues geben wird.