Unsere heutige Verabredung führt uns in die etwa 100km östlich von Kyoto gelegene Präfektur Mie. In Mie wird seit über 800 Jahren Tee angebaut. Die ersten Teesamen, die hier in die Erde gebracht wurden, kamen aus Kyoto, nachdem diese aus China nach Japan gekommen waren.
Wir treffen heute Iwao Hayashi und seinen Sohn Kimihiko. Dieses Jahr holt uns Kimihiko mit dem Auto vom Bahnhof ab. Noch während der Fahrt fragen wir, wie weit denn seine Teesträucher schon ausgetrieben sind, und erzählen von anderen Teegärten, bei denen dieses Jahr die Teesträucher recht spät oder noch gar nicht begonnen haben auszutreiben, selbst in weiter südliche gelegenen, wärmeren Regionen. Auch Kimihiko Hayashi berichtet, dass seine Teebüsche ebenfalls um die sieben bis zehn Tage später dran sind, als im Durchschnitt der letzten Jahre. Es ist also auch für Mie ein recht spätes Jahr. 2016 war, was den Erntezeitpunkt in Mie angeht, ein durchschnittliches Jahr mit Erntebeginn am 5. Mai.
Für 2017 ist der Erntetermin noch nicht abzusehen, doch Kimihiko rechnet mit einem Tag um dem 10. Mai, sein Vater Iwao mit einem noch späteren ersten Erntetag, je nachdem wie sich das Wetter in den nächsten Wochen entwickeln wird.
Mehr zum Thema Shincha auch in unserem Shincha-Blog 2017.
Weil wir nach dem Austreiben der jungen Sprosse gefragt haben, bietet uns Kimihiko an, einen experimentellen Teegarten von einem benachbarten Betrieb zu besuchen, der von einem Gewächshaus umgeben wird. Die Betreiber des Anbauprojekts bauen hier unter weitgehend kontrollierten Bedingungen Tee an. Diese Art der Kontrolle über Anbaufaktoren ermöglicht verschiedene Düngemittel in ihrer Wirkung direkt miteinander vergleichen zu können, ohne störende Nebeneffekte durch unterschiedliche Standorte, verschiedenartige Bodenbeschaffenheit oder unterschiedliche Mengen an Niederschlag. Tobias erinnert das sehr an seine Uni-Zeit am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung. Natürlich handelt es sich bei dem vorliegenden Projekt nicht um einen Bio-Teegarten, da das Betreiben eines Gewächshauses und der damit einhergehende hohe Energieverbrauch nicht mit der Idee einer ökologischen Anbauweise von Tee zusammenkommen kann. Hier sehen wir schon deutlich größere Triebe, die in der nächsten Woche zur Ernte bereit sind.
Möglich ist das frühe und schnelle Wachstum in der Region Mie aber nur durch den Anbau im Gewächshaus. Innen herrschen Temperaturen um die 28°C bis 30°C und nachts wird das Gewächshaus zum Teil beheizt, damit die jungen Triebe nicht durch Nachtfröste wieder absterben.
Um den Faktor Wasserverfügbarkeit kontrollieren zu können, muss künstlich bewässert werden. Für das etwa einen Viertel Hektar große Feld werden 3000 Liter Wasser pro Tag benötigt. Auch obwohl diese Menge recht groß erscheint, so ist das im Vergleich zum natürlichen Regen nicht viel, weshalb der Tee aus dem Gewächshaus wenig intensiv schmeckt. Um eine schöne Farbe zu erreichen, werden hier die Pflanzen für etwa eine Woche beschattet. Dass der Tee nun nicht so außergewöhnlich intensiv schmeckt, erscheint jedoch nicht so schlimm, denn er wird gar nicht getrunken, sondern am Ise Schrein, einem der wichtigsten japanischen Nationalschreine, als Opfer den Göttern dargebracht. Dass es der allererste Shincha aus der Region ist, macht ihn besonders und damit würdig dort geopfert zu werden. Leider ist das aber kein Bio-Tee, aber die japanischen Götter trinken ihn ja auch nicht.
Am Haus der Familie Hayashi angekommen, treffen wir nun auch Iwao Hayashi und seine Frau. Auch wenn es dem 80-jährigen Iwao gesundheitlich gerade nicht ganz so gut geht, ist er zu Scherzen aufgelegt. Er ist im Moment etwas schlecht zu Fuß, jeder Schritt fühlt sich unangenehm an. Es wird aber seit ein paar Tagen wieder besser, sodass er damit rechnet zur Ernte wieder ganz in Form zu sein. Er räumt auch ein, dass er ja schon 80 Jahre alt ist, und im Verhältnis dazu durchaus noch sehr vital. Bei der Frage, wie es seiner Frau geht, antwortet er nur scherzhaft, sehr gut, aber sie sei ja auch noch jung: 6 Jahre jünger als er. Auf uns wirken beide sehr fidel.
Im vergangenen Jahr haben wir Iwaos Enkel Shuhei kennengelernt, der seit mittlerweile zwei Jahren im Familienbetrieb arbeitet. Bei unserem letzten Besuch war er gerade mit der Tee-Ernte beschäftigt. Der Großvater berichtet voller Stolz, dass der Enkel seine Arbeit sehr gut macht. Auch erfahren wir, dass der 23-jährige Shuhei im vergangenen Jahr geheiratet und eine Tochter bekommen hat. Darüber ist der Urgroßvater Iwao Hayashi natürlich auch sehr stolz.
Iwao berichtet davon, dass es seit Februar sehr viel geregnet hat und fügt noch an, dass viel Regen im Februar und März sehr gut für den Geschmack des Tees der ersten Ernte ist. Die Pflanzen sammeln in dieser Zeit die Energie für die neuen Triebe – den Shincha und Tokujou Sencha. Er rechnet also mit einem guten Teejahr 2017. Obwohl es noch ein bisschen dauert bis die neuen Tees geerntet werden können und wir die ersten Muster verkosten dürfen, freuen wir uns aber jetzt schon sehr darauf.