Wir werden von der Sonne geweckt. Es ist ein wunderschön-sommerlicher Tag und wir freuen uns diesen ganz der Keramik zu widmen. Im vergangenen Jahr hatten wir das Glück zwei Keramiker kennenlernen zu dürfen, deren künstlerischer Werdegang und deren Stilrichtungen kaum kontrastreicher sein könnten, ganz besonders auch, was den Stil ihrer Matchaschalen betrifft. Wir sind daher schon voller Vorfreude, beide heute wieder treffen zu können.

Vormittags führt es uns zu Yoshiko, die im letzten Jahr für uns eine Reihe von insgesamt fünf Matchaschalen-Unikaten, die jeweils einen anders dargestellten Mejiro-Vogel als Motiv tragen, mit dem Pinsel bemalt hat. Die über 80-jährige Künstlerin hat in den 1960er  angefangen sich mit Keramik zu beschäftigen. Zu dieser Zeit bis Anfang der 1980er Jahre hat sie selbst Matchaschalen, Yunomi und andere Keramik für die Teezeremonie gefertigt. Nachdem jedoch Anfang der 80er Jahre ihr Sohn beschloss selbst Töpferei zu studieren, zog sie sich aus dem künstlerischen Bereich der Keramik zurück, mit den Gedanken, ihr Sohn möge sich in der Welt der Keramik ganz frei entfalten, ohne von ihr beeinflusst zu werden. Seitdem konzentriert Yoshiko sich auf die Bemalung von Matchaschalen.

Neben zwei von Yoshiko bemalten Matchaschalen finden wir einen kleinen Gegenstand dessen Funktion uns zunächst einmal nicht klar ist. Es handelt sich um ein kleines Wassergefäß, das man benötigt um für die Kaligraphie-Malerei Tusche anzurühren. Durch ein kleines Loch lässt sich das Wasser tröpfchenweise dosieren, sodass die Konsistenz der Tinte nicht zu trocken ist, aber auch nicht verwässert. Dietmar erinnert sich gleich daran, als er vor ein paar Jahren die Kanji-Kaligrafien für unsere Tee-Verpackungen mit dem Pinsel entwarf, wie schwierig es war das Wasser für die Kaligraphie-Tinte richtig zu dosieren. Interessant an dem Wassergefäß ist auch, dass es die erste gemeinsame Arbeit von Mutter und Sohn darstellt. Yoshiko stellte formte das winzig-kleine Gefäß, wobei ihr Sohn die besondere Glasur herstellt und auftrug. Von dieser kleinen Serie, die Ende der 1980er Jahre gefertigt wurde, ist heute nur noch ein Exemplar in der Werkstatt der beiden geblieben. Heute wechselt es den Besitzer gewechselt. Unabhängig vom praktischen Nutzen des Gefäßes, begeistern uns die Form und der Charakter der Glasur.

Keramikmeister Kato Juunidai

Den Nachmittag verbringen wir in der Werkstatt von Keramikmeister Kato Juunidai (Kurzportrait des Keramik-Künstlers Kato bei Teeraumdesigner), einem Keramik-Meister in der zwölften Generation seiner Familie. Die Geschichte der Familie zeigt auf sehr anschauliche Weise Höhen und Tiefen, sowie spannende Kehrtwenden in der japanischen Keramik-Tradition. Bis zur Generation seines Urgroßvaters stellte Familie Kato Geschirr für Kaiseki Ryori, die Mahlzeit, die einen Teil einer ausführlicheren Teezeremonie darstellt, her. Beim Kaiseki Ryori werden sehr viele kleine leichte Speisen, die kunstvoll dekoriert wurden, gereicht. Traditionell, aufgrund der Herkunft aus dem Zen-Buddhismus ist Kaiseki Ryori rein vegetarisch. Wir durften 2006 einmal in einem Zenkloster in der Nähe von Uji Kaiseki Ryori genießen. Wir erinnern uns heute noch an die Begeisterung über die Vielfalt und Schönheit der vielen kleinen Speisen, die auf wunderbar gestalteten Schälchen und Tellern dargereicht wurden.

Historische Methode um neuer Keramik Patina zu verleihen: Pflanzenbrühe zum Einfärben des Craquelés

Kato Juunidais Großvater begann erst im hohen Alter von der Tradition seiner Familie abzuweichen, und sich weniger der Keramik für Kaiseki Ryori zu widmen, an anstelle dessen seine ganze Aufmerksamkeit der Erschaffung von besonderen Matchaschalen zu widmen. Dabei verwendete er die Tonerde der Region, diese jedoch nicht, wie üblich für die Herstellung von Kaiseki Geschirr, in gereinigter Form, sondern im Zustand, wie sie in der Natur auftritt. Im Ton enthalten sind daher auch Eisenbestandteile und Silikate, wodurch die Struktur weniger geschlossen, und der Ton etwas poröser ist. Ebenso ist auch die Farbe des Tons nicht so einheitlich. Einige der Werke der 10. Generation der Keramikerfamilie Kato (Kato Juunidai) tendieren daher durch die Verwendung der unbehandelten Tonerde mehr ins Gelbliche, andere eher ins Rötliche, während der gereinigte Ton hellgrau ist. Bis zu seinem Tod entwarf Herr Katos Großvater eine Vielzahl sehr unterschiedlicher, einzigartiger Matchaschalen-Unikate, die bislang nur in einschlägigen Teezeremonie- und Künstlerkreisen bekannt sind.

Die folgende Generation der Familie-Kato, die 11. Generation (Kato Juuichidai), zu der der Vater des heutigen Herrn Kato zählt,  war im Vergleich zur den Vorfahren weniger künstlerisch motiviert. So kam es, dass der Familienbetrieb zu einer Werkstatt für die Keramikherstellung in größeren Serien umgestaltet wurde. In einer großen Fabrik fertigten zu jener Zeit viele Angestellte einfache Haushaltskeramik in großen Stückzahlen.

Mit dem sinkenden Interesse an Keramik in Japan und gleichzeitig dem immer höherem Preisdruck im Bereich der Haushaltskeramik musste der Familienbetrieb, den Herrn Katos Vater zu einen Betrieb für die serielle Keramikherstellung umgestaltet hatte, gegen Ende des letzten Jahrhunderts Konkurs anmelden. Die alte Fertigungshalle sehen wir noch verwahrlost beim Vorbeifahren, doch dies hat sein Gutes, ja es stellt sogar die Grundlage für den Charakter der Werke des heutigen Keramikmeisters Kato Juunidai, und somit für den Werdegang der 12. Generation der Künstlerfamilie dar.

Herr Kato selbst schlug bereits in seiner Jugend – heute ist er über 60 Jahre alt – einen anderen Weg als sein Vater (Kurzportrait des Keramik-Künstlers Kato bei Teeraumdesigner). Kennzeichnend für die heutige, also die 12. Generation, ist ein sehr enges Verhältnis zu seinem Großvater und die Bewunderung von dessen Werken. Gemeinsam arbeiteten die beiden an Matchaschalen (Japanisch: Chawan) und so ging das Wissen über das künstlerische Geschick vom Großvater an den Enkel über. Kato Juunidai machte sich zur Aufgabe die Töpfereitradition seiner Familie wiederzubeleben und weiterzuführen, also auch sich der Publikation der Werke zu widmen. Er fertigt seine keramischen Werke nun wie in den älteren Generation wieder ausschließlich in Handarbeit. Dabei handelt es sich um einzigartige Kaiseki Keramik und Matchaschalen. Durch den Austausch mit uns im vergangenen Jahr ergab sich zudem ein neues Projekt, nämlich dass Herr Kato began, die Tradition der Matchaschalen im Stil der 10. Generation – also des Großvaters – wieder aufleben zu lassen. Die ersten Werke mit dem Hintergrund dieser Entstehungsgeschichte sind bereits auf dem Weg zu uns nach Frankfurt, und werden bald an entsprechenden Orten erhältlich sein.

 

Meister Katos Glasurtypisierung nach Glasurbestandteilen und Brenntempertur jeweils für Oxidations-und Reduktionsbrand (hier: Reduktionsbrand)

An der Geschichte der Künstlerfamilie Kato lässt sich sehr schön erkennen, wie sich die japanische Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg wandelte. Von einer nach innen gekehrten eher handwerklich orientierten Richtung, über den industriellen Markt mit großen Serien, bis hin zur Rückbesinnung auf die eigenen Kulturtechniken, jedoch ohne dabei rückwärtsgewandt zu sein – gewissermaßen eine neue Interpretation und sanfte Abwandlung des Althergebrachten mit dezent eingebrachten, neuen Elementen. Herr Kato schwelgt nicht in alten Geschichten, ist weit davon entfernt Nostalgie zu verbreiten. Vielmehr hat er einen Platz für seine Keramik-Tradition in der modernen Welt gefunden und ist bestrebt sein Wissen und seine Ideen weiterzuentwickeln und mit anderen Menschen zu teilen. Wir sind begeistert von seinen Werten und Werken, und sind dankbar diese Energie mit seinen Keramiken nach Europa tragen zu dürfen.