1. Definition
Das Wort Shincha setzt sich zusammen aus den beiden Wortbestandteilen „Shin“ (neu) und „cha“ (Tee). Wörtlich übersetzt bedeutet Shincha also „neuer Tee“. Bezüglich dessen, wie ein Shincha genau beschaffen ist, was ihn also von anderen japanischen Teesorten unterscheidet, gibt es zwei unterscheidlichen Arten der Definition:
(A) Shincha als Bezeichung des gerade neu geernteten Tees
In Japan werden häufig direkt nach der ersten Ernte kleine Etiketten mit der Beschriftung „Shincha“ auf die Teesorten der ersten Ernte geklebt. Außerhalb Japans findet man diese Vorgehensweise beim Verkauf eher selten. Mit diesem kleinen Zusatzetikett werden meistens eher die feiner Sencha-Sorten oder Kabusecha-Sorten, teilweise aber auch Kukicha-Sorten gekennzeichnet. Dies ist natürlich bei unterschiedlichen Teegärten oder Händlern nicht einheitlich. Dieselben Teesorten werden nach einigen Wochen zwar weiterhin verkauft, aber dann nicht mehr mit den kleinen „Shincha-Zusatzetikett“. Über die Güte des Tees oder eine bestimmte Art der Herstellung sagt die Bezeichnung als Shincha in diesem Fall nichts aus, sondern nur, dass es sich um den frisch geernteten Tee der ersten Ernte handelt.
(B) Shincha als eigenständige Teesorte
Shincha als Bezeichnung einer eigenständigen Teesorte findet man sowohl in Japan als auch außerhalb Japans. Dabei kann (muss aber nicht) ein Shincha eines oder mehrere der folgenden Merkmale aufweisen:
– Die Blätter für den Shincha werden besonders früh geerntet, wenn die Teesträucher noch nicht weit genug für die reguläre erste Ernte ausgetrieben sind (dies ist sicherlich ein sehr häufig vorzufindendes Kriterium)
– Die Blätter für den Shincha werden von Strauchsorten geerntet, die besonders früh austreiben (d.h. nicht „schneller wachsen“, denn der Zyklus im Jahresverlauf ist einfach nur verschoben. Es handelt sich also nicht um Strauchsorten die schneller wachsen oder eine höhere Erntemenge mit sich bringen)
– Die Erntemaschine wird besonders hoch eingestellt bzw. getragen, so dass nur die feinsten Blätter geerntet werden.
– Die finale Erhitzung [ hi-ire ] findet nur sehr kurz oder mit relativ niedriger Temperatur statt, so dass die auf diese Weise hergestellten Shincha-Sorten besonders frisch und frühlingshaft grün schmecken. Je schwächer die hi-ire ist, desto empfindlicher wird jedoch der Tee, so dass ein schwach erhitzter Shincha auch umso schneller getrunken werden sollte.
2. Beispiele für Shincha-Sorten
2.1 Sakura-no Shincha MOE
Ein recht renommiertes Beispiel für einen Shincha ist der „Sakura-no Shincha MOE“, weshalb dieser Tee hier als erster genannt werden soll. Herr Matsumoto von Sakura-no En erntet dafür die Blätter der Strauchvarietät Yabukita, die weder besonders früh noch besonders spät austreibt. Bei der Yabukita handelt es sich demnach nicht um eine typische Strauchsorte für Shincha, jedoch um die am weitesten verbreitete japanische Teestrauchsorte, die etwa 70% der japanischen Teeherstellung ausmacht.
Die Verwendung der Strauchsorte Yabukita ist daher nicht dies Besonderheit des Sakura-no Shincha MOE, sondern vielmehr ist es die Art, wie Herr Matsumoto seinen Shincha erntet ist verarbeitet. Er erntet zu einem Zeitpunkt, zu dem nur wenige Blattnknospen und Blätter augetrieben, und daher unglaublich fein sind. Er erntet also nur die feinsten, jüngsten, frühlingsgrünen Blätter und Blatttriebe, die er daraufhin im Großen und Ganzen wie Sencha verarbeitet, d.h. zunächst dämpft. Auch wenn der Shincha MOE eine sehr starke Süße entwickelt, so liegt dies entgegen der häufig geäußerten Vermutung nicht daran, dass er beschattet würde. Nein, es handelt sich um einen 100% unbeschatteten Tee, was eindeutig zeigt, dass Süße auch ohne Beschattung hervorgebracht werden kann.
Die ganz spezielle Besonderheit des Sakura-no Shincha MOE ist allerdings, dass Herr Matsumoto den Tee nicht sortiert, was sonst bei japanischem Grüntee grundsätzlich so üblich ist. Wie ist das möglich? Die Blätter werden so fein geerntet, dass es garnicht möglich ist, zu große Blätter auszusortieren. Zudem gibt es auch keine sichtbaren Blattstiele, die aus Schönheitsgründen aussortiert werden könnten, da Herr Matsumoto nur die feinsten Blätter erntet, die auch demenstsprechend nur extrem feine Blattstiele habe, die im Blatt nicht stören – ja so gut wie nicht erkennbar sind, da sie ebenso wie die Blätter knallgrün sind.
2.2 Morimoto Shincha
Beim Morimoto Shincha handelt es sich um einen Shincha, der zum Teil aus beschattetem Anbau stammt [ Kabusecha ], und zum Teil aus unbeschattetem Anbau. Die Morimotos verwenden für den Morimoto Shincha zwar wie Herr Matsumoto von Sakura-no En auch die Strauchsorte Yabukita, doch ebenso die etwas früher austreibende Strauchsorte Yutaka Midori, die vor der Ernte beschattet wird. Den Blend vervollständigt zudem die eher seltene Strauchvarietät Saki Midori. Während die Morimotos nicht ganz zu fein ernten wie Herr Matsumoto, gewinnt die feine Sortierung natürlich an Bedeutung, um einen hervorrangenden Shincha herzustellen. Die finale Erhitzung [ hi-ire ] ist beim Morimoto Shincha verhältnismäßig kurz, weshalb der Tee seine frische Eleganz besonders zur Entfaltung bringt, wenn man ihn möglichst bald nach der Ernte trinkt. Shincha ist eben keine Teesorte, die dafür gedacht ist, sie lange aufzuheben.